Ich wachte in einer halb liegenden, halb sitzenden Position in der Roses Hut auf – es war hell. „Was für eine Tour“, war mein erster Gedanke. Die Grenzerfahrung des zurückliegenden Tages kam mir ein wenig surreal vor. Als ich aufstand, um mir die Zähne zu putzen, holte mich die Realität wieder ein. Rücken, Knie, Hüfte – Ich suchte nach einer Stelle an meinem Körper, die nicht weh tat. Vergebens. Jetzt machte sich die Anstrengung und vor allem das Herunter“rennen“ der letzten  400Hm bemerkbar. Trotzdem war ich fest entschlossen meine Tour heute fortzusetzen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem ich die Tür öffnete.

 

Am Vorabend hatte ich die Schönheit dieses Ortes nicht wahrnehmen können. Umso mehr hat mich dieser Anblick nun überwältigt. Ich setzte mich auf die Veranda und sog diesen Moment in mich ein. Die Strapazen des Vortages hatten sich gelohnt; Mehr noch, sie führten mich zu dem schönsten Flecken Erde, auf dem ich jemals stand. Es war warm, die Sonne brannte vom Himmel und eine Brise Wind sorgte für ein angenehmes Temperaturempfinden. Ich entschied mich einen weiteren Tag auf der Roses Hut zu verbringen und meinem Körper eine kleine Regenerationspause zu bieten.

Ich verbrachte den Tag mit Fotografieren, Filmen, Essen und Mundharmonika-Spielen. Da ich mit dem Spielen erst in Neuseeland begonnen hatte, war ich (und die gesamte Menschheit) froh, dass ich an einem so abgeschiedenen Ort üben konnte.

Laut Hutbook, dem Buch in dem sich jeder Wanderer eintragen sollte, wenn er die Hütte erreicht, war schon wochenlang kein Mensch mehr da gewesen. Dies mag daran liegen, dass der Motatapu Track ein relativer junger Wanderweg ist und daher nicht sonderlich bekannt. Meist waren es Te Araroa Tramper, die in der Hütte schliefen. Ich war in der Zeit da, in der die Southbound-Hiker schon durch waren und die Northbound-Hiker (nordwärts) erst noch kommen sollten.

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Ich rechnete also mit niemandem, doch dann sah ich eine Person die 400 Hm zur Hütte absteigen. Nachdem er die Hütte erreicht hatte und man sich begrüßte, merkten wir relativ schnell, dass wir beide aus Deutschland kamen. Zufälligerweise hieß er auch Yannik (eben nur mit einem ‚Y‘) und war auch 19 Jahre alt. Da denkt man, man wäre am Arsch der Welt und dann trifft man einen Deutschen, der genauso heißt und so alt ist, wie man selbst – Zufälle gibts. Wir verstanden und von Anfang an gut miteinander und beschlossen die Tour bis Wanaka gemeinsam anzugehen.

 

Beim Gespräch über die zurückliegende Tour bis zur Roses Hut merkte ich schnell, dass Yannik viel besser im Saft stand. Bei mir sollte es noch ein paar Wochen dauern, bis ich auf diesem Niveau war.

Wir blieben noch lange auf, um in den Genuss des neuseeländischen Sternenhimmels zu kommen. Dementsprechend kurz war die Nacht , bis zum Aufbruch am nächsten Morgen.

Wir wussten beide, dass uns eine lange und harte Tour bevorstand, bzw. glaubten es, denn auch Yannik hat sich nicht so intensiv vorbereitet. Schon vorab: Der Tag sollte geprägt werden von Sätzen, wie „Hinter der Kurve muss es sein“, „Dann eben nach der nächsten“, „Jaja, nur noch der eine Gipfel.“ „Oh, doch noch einer – aber das ist der letzte“ – Wir hatten unseren Spaß 🙂

Wir brachen früh von der Roses Hut Richtung Highland Creek Hut auf. Der erste Anstieg ließ auch nicht lange auf sich warten. Bereits nach ca. 1 Km ging es steile 500Hm gen Himmel. Gemeinsam ließ sich das aber deutlich einfacher bewerkstelligen. Wir pushten uns gegenseitig und so kamen wir schnell voran. Umsegelt wurden wir von 2 Karearea auch Maorifalken genannt. Diese Falkenart lebt nur in Neuseeland und ist für ihre rasanten Attacken auf andere Vögel, aber auch in seltenen Fällen auf unachtsame Wanderer bekannt. Falls ihr mir nicht glauben solltet, hier ein Zeitungsartikel der Dominion Post.

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